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Sicherere Nanomaterialien mithilfe von KI entwickeln? Liam Critchley

(Quelle: Maxim P – stock.adobe.com)

Künstliche Intelligenz (KI) wird immer häufiger in der chemischen und nanotechnologischen Industrie eingesetzt. Dabei geht es vor allem um das Design, die Synthese und das Scale-up verschiedener feinstofflicher und pharmazeutischer Produkte sowie neuartiger Nanomaterialien. Doch KI kann diesen Branchen und der gesamten wissenschaftlichen Gemeinschaft auch in anderer Hinsicht helfen. Nämlich bei der Entwicklung von Nanomaterialien, die noch mehr Sicherheit bieten.

Die Bedeutung der Sicherheit von Nanomaterialien

Nanomaterialien müssen – wie alle Materialien oder Chemikalien – sicher sein. Alle handelsüblichen Chemikalien werden geprüft und zertifiziert, um für den menschlichen Gebrauch oder die Handhabung sicher zu sein. Das gilt auch für Produkte, mit denen Menschen in Kontakt kommen können. Bei Nanomaterialien ist das nicht anders. Doch die Sicherheit vieler Nanomaterialien ist möglicherweise noch wichtiger als die einer gewöhnlichen Chemikalie.

Die meisten Chemikalien sind bereits seit längerer Zeit auf dem Markt, sodass ihre Gefahren gut dokumentiert sind. Zudem basieren viele neue Substanzen auf bereits bekannten Chemikalien, wodurch sich die Gefahren im Allgemeinen leichter ableiten und quantifizieren lassen. Nanomaterialien hingegen sind sehr viel neuartiger. Aufgrund ihrer geringen Größe und unterschiedlichen Zusammensetzungen kann sich das Verhalten von Nanomaterialien erheblich von dem herkömmlicher Chemikalien und größerer Materialien unterscheiden. Daher müssen die Eigenschaften und die Sicherheit von Nanomaterialien im Einzelfall sehr detailliert untersucht werden, da wesentlich mehr Faktoren zu berücksichtigen sind und sie oft Orte erreichen, mit ihnen interagieren und in sie eindringen können, die andere herkömmliche Chemikalien nicht erreichen können. Dazu gehören beispielsweise bestimmte biologische Barrieren und zelluläre Systeme.

Das bedeutet jedoch keineswegs, dass Nanomaterialien grundsätzlich unsicher sind. Nanomaterialien werden strengen Tests unterzogen, bei denen viele Wissenschaftler und Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten, um die Materialien zu klassifizieren und zu gewährleisten, dass sie sicher sind. In den Fällen, in denen die Gefahr einer Schädigung besteht, legen die verschiedenen Gremien die Grenzen fest, ab denen das Nanomaterial giftig (oder schädlich) sein kann, und formulieren Schritte, wie es am besten hergestellt, verwendet und in verschiedene Produkte integriert werden kann, ohne Schaden anzurichten.

Bei der Wahrnehmung der Sicherheit von Nanomaterialien gibt es jedoch noch einen weiteren Aspekt. Im Laufe der Jahre wurden die so genannten Risiken von Nanomaterialien in den Medien häufig unzureichend dargestellt, zum Beispiel: „Kohlenstoff-Nanoröhrchen sind das neue Asbest“. Obwohl Vorsicht geboten ist und alle verwendeten Nanomaterialien genau untersucht werden müssen, verstehen viele Menschen ohne technischen Hintergrund nicht, dass Nanoformen von Materialien überall im Alltag vorkommen (auch in einnehmbaren Produkten) und unbedenklich sind.

Das soll nicht heißen, dass wir bei den Vorschriften und der Sicherheit von Nanomaterialien nachlässig sein können. Ganz im Gegenteil: Wie bei jedem Material gibt es auch bei Nanomaterialien Giftstoffe, die weder diskutiert noch verwendet werden. Es werden Alternativen gefunden, die sicherer sind. Dank dieser strengen Sicherheitsbestimmungen, die eine Vielzahl von physikalischen und chemischen Tests sowie Studien in verschiedenen Szenarien umfassen, konnten die uns bekannten Nanomaterialien kommerziell genutzt werden.

Die meisten Nanomaterialien sind zwar sicher in der Anwendung, aber das wissen wir nur dank der verschiedenen bestehenden Verfahren. Diese Verfahren müssen fortgesetzt werden, und je genauer die Daten über ein einzelnes Nanomaterial sind, desto genauer wird die Prognose über die relative Sicherheit des Nanomaterials in verschiedenen Situationen und Mengen sein. Die Testverfahren unterscheiden sich von Material zu Material zwar geringfügig, können aber viele Jahre in Anspruch nehmen und umfassen sowohl physikalische als auch rechnerische Ansätze. In diesem Zusammenhang ist KI eine mögliche Option, die Wissenschaftler und Aufsichtsbehörden dabei unterstützen kann, fundiertere Entscheidungen hinsichtlich der Sicherheit verschiedener Nanomaterialien zu treffen.

KI zur Ergänzung von Nanosicherheitsprotokollen

KI-Algorithmen und insbesondere das Machine Learning (ML) können Wissenschaftler dabei unterstützen, den Regulierungs- und Normungsbehörden präzise Ergebnisse zu liefern. Bei zahlreichen Chemikalien wird das Verfahren „Safe by Design“ angewandt, um zu prüfen, ob diese Stoffe sowohl für den Umgang am Arbeitsplatz als auch für Endprodukte sicher sind. In den letzten Jahren wurde der „Safe by Design“-Ansatz, der mit einer riesigen Menge an Daten verbunden ist, auch auf Nanomaterialien angewandt – und genau hier kann die KI Wissenschaftlern wertvolle Unterstützung bieten, um die Sicherheit von Nanomaterialien zu gewährleisten.

Der Einsatz von KI zur Beurteilung der Nanosicherheit ist allerdings noch relativ neu. Da die Eigenschaften und das Verhalten von Nanomaterialien viel schwieriger vorherzusagen und zu modellieren sind als die von Massenmaterialien, müssen die Algorithmen noch weiter verbessert werden, bevor die KI regelmäßig und in großem Umfang für die Nanosicherheit eingesetzt werden kann. Allerdings hat sie in verschiedenen Bereichen großes Potenzial.

„Safe by Design“

„Safe by Design" bezeichnet ein Konzept, einen Prozess und eine Reihe von Tools, die die Herstellung von Nanomaterialien – und im Prinzip aller Materialien – sicherer machen können. Das Vorgehen ist simpel: Das Herstellungssystem sollte von Anfang an sicherheitsorientiert (unter Verwendung verschiedener Sicherheitstools) entworfen werden, anstatt zuerst das System zu entwerfen und die Sicherheitsaspekte erst im Nachhinein zu berücksichtigen.

Das Konzept „Safe by Design“ beruht auf drei Säulen: sichere Produkte, sichere Anwendung und sichere industrielle Produktion. Durch die Auswertung von Daten aus Risikobewertungen, den verschiedenen Aspekten der Produktion in Bezug auf die berufliche Exposition sowie Abfall und anderen Gefährdungs-/Expositionsfaktoren erhält man viele Informationen über die Sicherheit verschiedener Nanomaterialien in unterschiedlichen Umgebungen. Zudem werden immer auch Daten über die Sicherheit der Nanomaterialien selbst gesammelt (dazu gehören eine vollständige Charakterisierung der Nanomaterialien, das Toxizitätsprofil des Nanomaterials und In-vitro-Tests) sowie darüber, wie sicher sie im vorgesehenen Endprodukt sind.

Anstatt also nur die inhärente Sicherheit des Nanomaterials selbst aus den verschiedenen Studien abzuleiten, können Hersteller und Benutzer von Nanomaterialien diese Stoffe durch „Safe by Design" sicher in ihre Produkte integrieren. Wenn die ersten Versuche mit Nanomaterialien also auf ein gewisses Risiko hindeuten, können in der Produktions- und Integrationsphase Maßnahmen ergriffen werden, damit das Material sowohl für die Arbeitnehmer in der Fertigung als auch für die breite Öffentlichkeit, die das Produkt kauft, kein Risiko mehr darstellt.

Einsatz von KI bei der Analyse von Nanomaterialien

Wo kommt also die KI ins Spiel? Wie bereits erwähnt, werden riesige Datenmengen über die Herstellung von Nanomaterialien, ihre sichere Integration sowie Informationen über die Nanomaterialien selbst gesammelt. KI kann daher nicht nur zur Vorhersage der Eigenschaften von Nanomaterialien eingesetzt werden, sondern auch zur Analyse aller Daten über die allgemeine Sicherheit eines Nanomaterials.

Mithilfe der KI lassen sich die Eigenschaften und Strukturen verschiedener Nanomaterialien in großem Umfang modellieren. Die Machine-Learning-Algorithmen können hierbei sämtliche Daten nutzen, die der Wissenschaft über die verschiedenen Zusammensetzungen, Eigenschaften und Verhaltensweisen von Nanomaterialien (und eigentlich jedem Molekül) bekannt sind. Damit können sie vorhersagen, welche Eigenschaften das Nanomaterial an sich und in anderen Szenarien haben wird. Durch die Verwendung historischer Daten und die Analyse des aktuellen Nanomaterials können KI-Algorithmen hochpräzise Voraussagen machen, die zusammen mit den Ergebnissen der physikalischen Charakterisierung genutzt werden können.

Bei der Erstellung von Profilen könnte die KI besonders für die Bestimmung der Toxizität und Sicherheit von Nanomaterialien in biologischen Umgebungen hilfreich sein, da hier viele verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Das gilt auch für die zahlreichen verschiedenen biologischen Umgebungen, die davon betroffen sein können. Mit KI-Algorithmen lassen sich all diese Faktoren als einzelne Operationseinheiten kodieren. Dadurch können die Daten aus jedem dieser Operationspunkte verwendet werden, um ein Modell zu erstellen, das zeigt, wie sich das Nanomaterial sowohl in der In-vivo- als auch in der In-vitro-Umgebung verhalten wird.

Dies erfolgt in der Regel durch den Vergleich der strukturellen Ähnlichkeiten mit Chemikalien, deren Eigenschaften und toxikologische Wirkungen bereits bekannt sind. Für einen Menschen ist es nahezu unmöglich, alle vorhandenen Daten zu den verschiedenen chemischen Profilen zu erfassen und zu verarbeiten. KI-Algorithmen können jedoch auf diese Daten zugreifen (und sie verstehen), indem sie die Daten aus der wissenschaftlichen Literatur extrapolieren. So kann die KI die Toxizitätsprofile der entsprechenden Nanopartikel/Nanomaterialien direkt aus deren Struktur und physiochemischen Eigenschaften ableiten.

Daraus ergibt sich ein guter Ausgangspunkt, auf den sich klinische Studien konzentrieren sollten (was zu einem genaueren experimentellen Ergebnis führen wird), da diese für die Bestimmung des Toxizitätsprofils (und damit der Sicherheit) des Nanomaterials entscheidend sind. Wenn KI-Untersuchungen beispielsweise zeigen, dass bestimmte Nanomaterialien einen bestimmten Zelltyp oder ein bestimmtes Gewebe beeinträchtigen können, dann können die Wissenschaftler dies gezielt untersuchen (insbesondere dann, wenn dies anfangs kein Problem darstellte). Dies ist ein ganz entscheidender Bereich, in dem KI die Maßnahmen zur Nanosicherheit verbessern und die erforderlichen Ressourcen und Kosten für klinische Studien reduzieren kann.

Nutzung von KI für „Safe by Design“

Die Charakterisierung der Eigenschaften eines Nanomaterials ist zwar ein Eckpfeiler des „Safe by Design"-Ansatzes, aber auch die gesamte Herstellung und Verwendung von Nanomaterialien ist wichtig, und KI kann auch bei den weiteren „Safe by Design"-Aspekten sehr hilfreich sein. „Safe by Design"-Ansätze kommen nicht nur direkt dem Hersteller und dem Verbraucher zugute, sondern die Ergebnisse dieser Protokolle können auch zur Entwicklung von Richtlinien und Standards verwendet werden. Wenn also KI zu einer höheren Genauigkeit des Prozesses beitragen kann, dann kann sie auch die breitere wissenschaftliche Community unterstützen – und nicht nur diejenigen, die die Analysen direkt durchführen.

Bei der Herstellung können KI-Algorithmen genauere Ergebnisse über den Grad der Exposition gegenüber Nanomaterialien in verschiedenen Arbeitsumgebungen liefern. Sensordaten aus der Produktionslinie und aus der Umgebung lassen sich mit Machine-Learning-Algorithmen analysieren. Durch die Kodierung der spezifischen Merkmale der potenziellen Nanomaterialien und Nicht-Nanomaterialien in der Arbeitsumgebung kann der KI-Algorithmus eine genauere Analyse des tatsächlichen Expositionsniveaus und der potenziellen Gefahren am Arbeitsplatz liefern. Damit können für jedes Nanomaterial (falls erforderlich) in der Produktionsphase präzisere Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden.

Ein weiterer Aspekt im Produktionsbereich ist die Automatisierung der Produktion von Nanomaterialien selbst. Dies steht zwar nicht in direktem Zusammenhang mit Nanosicherheit und „Safe by Design", aber die Fähigkeit, die Expositionswerte von Nanomaterialien zu überwachen und gleichzeitig die Produktion selbst zu automatisieren, kann dazu beitragen, dass sich weniger Arbeitskräfte in der Nähe der Produktionslinie aufhalten müssen. Dadurch verringert sich die Gefahr einer arbeitsbedingten Exposition und die Arbeitsumgebung für Nanomaterialien wird sicherer.

Ein weiteres Gebiet, auf dem KI im Rahmen des Gesamtkonzepts „Safe by Design“ einen wichtigen Beitrag leisten kann, ist die präzise Analyse aller Daten und die Ableitung von Trends, die auf Sicherheitsrisiken hindeuten (sei es durch das Nanomaterial selbst oder durch seine Verwendung). In der Regel werden sehr große Datenmengen benötigt, um die Unbedenklichkeit eines Nanomaterials zu belegen. KI kann diese Daten so verdichten, dass nur relevante Daten einbezogen werden (ohne dass man viel Zeit damit verbringen muss, sie manuell zu korrelieren). Darüber hinaus können viele Aspekte der Sicherheits- und Charakterisierungstests der einzelnen Nanomaterialien sowie die Vorteile des Einsatzes von KI-Algorithmen auch auf die Endprodukte ausgeweitet werden, in denen sie verwendet werden sollen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Sicherheit der Benutzer und der Öffentlichkeit ebenfalls gewährleistet ist.

Einer der Bereiche, in dem die KI die größte Bedeutung haben könnte, ist die vorausschauende Analyse von Nanomaterialien in biologischen Umgebungen, die es ermöglicht, ihr Toxizitätsprofil zu bestimmen. Aber auch bei der Herstellung von Nanomaterialien kann die KI durch Automatisierungs- und Überwachungsansätze zu mehr Sicherheit beitragen.

Fazit

Nanomaterialien werden aufgrund ihrer geringen Größe häufig als unsicher bezeichnet. Viele dieser Materialien sind jedoch von Natur aus sicher. Damit sie kommerziell genutzt werden können, müssen sie strenge Tests bestehen, bevor sie auf den Markt kommen. In den letzten Jahren wurden die „Safe by Design"-Protokolle für Nanomaterialien angepasst. Damit soll sichergestellt werden, dass sie für jeden, der mit ihnen umgeht, sowie für jeden, der ein mit Nanomaterialien angereichertes Produkt kauft, sicher sind (und dass im Falle einer Gefährdung entsprechende Maßnahmen ergriffen werden).

Die Tests und Protokolle erzeugen eine riesige Datenmenge, die gesammelt, analysiert und präsentiert werden muss. Es ist bekannt, dass KI-Algorithmen Datenmengen wesentlich genauer und schneller sortieren und analysieren können als Menschen. Auch wenn die Entwicklung noch am Anfang steht und noch eine Menge Arbeit geleistet werden muss, bevor KI-Algorithmen routinemäßig in der Praxis eingesetzt werden können, hat der Einsatz von KI im „Safe by Design“-Prozess für Nanomaterialien (und andere Materialien) großes Potenzial, denn dadurch lässt sich der Prozess beschleunigen und die Sicherheit von Nanomaterialien selbst sowie von auf Nanomaterialien basierenden Produkten verbessern.



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Liam Critchley ist Autor, Journalist und Kommunikationsexperte, der sich auf Chemie und Nanotechnologie spezialisiert hat und darauf, wie fundamentale Prinzipien auf molekularer Ebene in vielen verschiedenen Anwendungsbereichen eingesetzt werden können. Liam ist vor allem für seinen informativen Ansatz bekannt und erläutert komplexe wissenschaftliche Themen sowohl für Wissenschaftler als auch für Nicht-Wissenschaftler. Er hat mehr als 350 Artikel in verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen und Branchen veröffentlicht, die Berührungspunkte mit Chemie und Nanotechnologie haben.

Liam ist Senior Science Communications Officer bei der Nanotechnology Industries Association (NIA) in Europa und hat in den letzten Jahren Beiträge für Unternehmen, Verbände und Medien-Websites in aller Welt verfasst. Vor seiner Tätigkeit als Autor erwarb Liam Master-Abschlüsse in Chemie mit den Schwerpunkten Nanotechnologie und Verfahrenstechnik.

Neben seiner Autorentätigkeit ist Liam auch Mitglied des Advisory Board der National Graphene Association (NGA) in den USA, des weltweiten Nanotechnology World Network (NWN) und Mitglied des Board of Trustees von GlamSci, einer im Vereinigten Königreich ansässigen gemeinnützigen Wissenschaftsorganisation. Zudem ist er Mitglied der British Society for Nanomedicine (BSNM) und der International Association of Advanced Materials (IAAM) sowie Peer-Reviewer für mehrere akademische Fachzeitschriften.


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