Das Thema Effizienz ist in der Natur entscheidend. Wer den Einsatz zusätzlicher Ressourcen optimiert und dabei möglichst viel davon nutzt, verbessert die Leistung, kann Aufwand minimieren und Verschwendung reduzieren. Energy Harvesting ist ein Verfahren zur Nutzung der Umgebungsenergie für den Betrieb eines elektrischen Geräts. Bei batteriebetriebenen Geräten kann Energy Harvesting entweder die Nutzungsdauer der Batterie verlängern oder die Energieversorgung durch die Batterie vollständig ersetzen.
Für Energy Harvesting sind Ultra-Low-Power (ULP) MCUs eine logische Wahl. Diese Bauelemente kommen in Wearable-Technologien, drahtlosen Sensoren und anderen Edge-Anwendungen zum Einsatz, bei denen eine möglichst lange Batterielebensdauer wichtig ist. Um die Vorteile von Energy Harvesting für ULP-MCUs zu verstehen, ist es sinnvoll, sich die Funktionsweise von Energy Harvesting in der Praxis genauer anzuschauen.
Das Energy Harvesting ist im Prinzip ein einfaches Verfahren zur Energiegewinnung. Ausgangspunkt ist das Problem, dass die primären Energiequellen (Batterien, Kraftstoff, Netzstrom) endlich sind. Zudem ist die Umwandlung dieser Energiequellen in nutzbare Energie nicht zu 100 Prozent effizient, obwohl in der Umgebung ständig Energie zur Verfügung steht, die genutzt werden könnte. Windkraftanlagen können beispielsweise in großem Maßstab elektrische Energie erzeugen. Diese Anlagen nutzen die Windenergie, indem Rotorblätter durch den Wind in Bewegung gesetzt werden und einen Generator antreiben, der wiederum elektrischen Strom erzeugt. Weitere Beispiele für die Erzeugung elektrischer Energie in großem Maßstab sind Sonnenenergie, Gezeiten bzw. Meeresströmungen und Erdwärme.
Bei kleineren Technologien, wie beispielsweise Wearables und drahtlosen Sensoren, kann kinetische, thermische oder elektromagnetische Strahlungsenergie aus der Umgebung genutzt werden. Alle diese Energieformen benötigen jeweils ein spezifisches Verfahren, um die vorhandene Energie in nutzbare Energie umzuwandeln. Dabei sind die Nutzbarkeit und Eignung der einzelnen Energiequellen von großer Bedeutung, da Größe und Masse der für die Energieumwandlung benötigten Komponenten je nach Anwendung sehr unterschiedlich sein können.
Wärmestrahlung ist beispielsweise für drahtlose Sensoranwendungen geeignet, da sich durch das Design und die Platzierung der Sensoren beide Energieformen nutzen lassen. Im Automotive-Bereich können Sensoren beispielsweise in Fahrbahnnähe montiert werden und somit die Strahlungswärme der Fahrbahn nutzen. Andere Sensoren können wiederum die Bewegungsenergie in Bereichen mit starken Vibrationen nutzen, beispielsweise in der Nähe der Räder oder Motorkomponenten. Für Ultra-Low-Power-MCUs lässt sich die kinetische Energie, die aus der Bewegung eines Nutzers gewonnen wird, im Moment am einfachsten in nutzbare Energie umwandeln.
Eine der Hauptanwendungen von Ultra-Low-Power-MCUs (ULP-MCUs) sind Wearables. Daher kommt der Verarbeitung von Edge-Daten bei minimalem Stromverbrauch eine entscheidende Bedeutung zu. Energy Harvesting reduziert die Belastung der Batterien von Wearables. Diese enthalten nur eine begrenzte Energiemenge und müssen regelmäßig aufgeladen oder ausgetauscht werden, wenn ihre Kapazität erschöpft ist. Batterien stellen auch eine Herausforderung bei der Entsorgung dar, da die Batteriematerialien nicht ohne Weiteres wiederverwertet werden können. Die Energie-Harvester von ULP-MCUs speichern kinetische (mechanische) Energie durch piezoelektrische, elektromagnetische oder triboelektrische Generatoren als nutzbare (elektrische) Energie.
Der Begriff „piezoelektrisch“ stammt aus dem Griechischen und lässt sich mit „quetschen“ oder „zusammendrücken“ übersetzen. Durch eine kinetische Kraft wird das piezoelektrische Material zusammengedrückt und es entsteht ein elektrisches Feld. Entwickler wählen das Material auf der Grundlage der zu erwartenden mechanischen Kraft und der Dichte des elektrischen Feldes aus und stimmen sein Leistungspotenzial mit den Materialeigenschaften ab, durch die das Material in Gegenwart eines elektrischen Feldes verformt wird. Anhand dieser konkurrierenden Faktoren können die Entwickler den Beitrag optimieren, den ein Energy Harvester leisten kann, um die Leistung der Primärbatterie immer wieder zu erhöhen bzw. die Batterie zu entlasten. Schätzungen zufolge kann die kinetische Energie im Durchschnitt 10 mW zur primären Energiequelle für ULP-MCUs beisteuern.
Auch elektromagnetische Strahlung ist eine Technologie zur Energiegewinnung für kleine MCUs. Radio-, Infrarot-, UV- und Mikrowellen übertragen Strahlungsenergie durch die Luft. Die elektromagnetischen Wellen der Umgebung versetzen Strukturen in einem Magnetfeld in Schwingung und wandeln die mechanische Schwingungsenergie durch entsprechend ausgelegte Magneten und Luftspaltdesigns in elektrische Energie um. Dieses Verfahren liefert dem System etwa 0,3 mW an gewonnener Energie.
Bei der letzten Technologie zur Energiegewinnung für ULP-MCUs handelt es sich um triboelektrische Nanogeneratoren (TENGs). Hierbei werden [ungleiche] Materialien auf Oberflächen aufgebracht, die durch mechanische Bewegungen wie Rotation, Vibration, Oszillation und Ausdehnung/Kontraktion Reibung erfahren. An diese Materialien werden Elektroden angebracht, mit denen sich Energie gewinnen lässt, die durch das Ladungsungleichgewicht (statische Elektrizität) infolge der Reibung zwischen den Materialien entsteht. Dieses Verfahren liefert eine zusätzliche Leistung, die mit 1-1,5 mW jedoch etwa zehnmal geringer ist als die piezoelektrisch gewonnene Energie.
Wearable-Technologien und drahtlose Sensornetzwerke sind alltägliche Anwendungsbereiche für Ultra-Low-Power-MCUs und verbrauchen Energie im zweistelligen Milliwattbereich. Lithium-Ionen-Batterien sind eine gute Lösung, um diese Leistung über einen entsprechenden Zeitraum zu liefern. Doch aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegenüber kalten Temperaturen und der Forderung der Benutzer nach einer längeren Batterielebensdauer stößt die derzeitige Technologie an ihre Grenzen. Ein Lösungsansatz kann hierbei die Nutzung und Umwandlung von mechanischer Energie durch piezoelektrische, elektromagnetische und triboelektrische Technologien sein, die diese Energieformen in nutzbare Energie umwandeln und die Lebensdauer von Batterien um bis zu 10 % verlängern können. Durch weitere technologische Verbesserungen in Bezug auf Widerstände und Strombelastungen könnten Batterien in ULP-MCU-Bauteilen irgendwann überflüssig werden. Es ist ein Wettlauf zwischen der Entwicklung von Miniaturbatterien und verbesserter Leistung, bei dem der Verbraucher auf jeden Fall gewinnen wird.
Adam Kimmel ist seit fast 20 Jahren als praktizierender Ingenieur, F&E-Manager und Verfasser von technischen Inhalten tätig. Er erstellt Whitepapers, Website-Texte, Fallstudien und Blog-Posts in vertikalen Märkten, darunter die Bereich Automotive, Industrie/Fertigung, Technologie und Elektronik. Adam Kimmel hat Abschlüsse in Chemie und Maschinenbau und ist der Gründer und Leiter der ASK Consulting Solutions LLC, einer Firma, die technische und technologische Inhalte verfasst.