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Chemische Grundlagen der Piezomaterialien Liam Critchley

Wie in vielen Bereichen der Elektronik spielt die Chemie auch bei der Funktionsweise von Piezomaterialien eine wichtige Rolle. Der Wirkmechanismus von Piezomaterialien basiert auf induzierten Veränderungen ihrer Kristallstrukturen auf atomarer Ebene. Sobald eine mechanische Beanspruchung bzw. mechanischer Druck auf Piezomaterialien einwirken, erfolgt eine Deformation der Kristallstruktur. Diese wiederum bewirkt eine Änderung des elektrischen Stroms im Material. Wenn auf sogenannte piezoelektrische oder piezoresistive Materialien eine mechanische Beanspruchung bzw. mechanischer Druck einwirkt, ändert sich jeweils die elektrische Ladung bzw. der Widerstand.

Auch wenn das Anwendungsspektrum piezoelektrischer Materialien größer als das der piezoresistiven ist, sind beide Arten von Piezomaterialien für den Einsatz bei Sensoren hervorragend geeignet. Dies gilt insbesondere für Belastungs- bzw. Dehnungssensoren, die die mechanische Verformung eines Materials unter einer einwirkenden Last erfassen. Diese Sensoren sind für bauspezifische Applikationen äußerst wichtig, die erfassen, ob sich Teile der Konstruktion unter zu großer Belastung verformen. Konstrukteure verwenden piezoelektrische Materialien zudem als Energiewandler, Aktuatoren, leitende Kleb- und Dichtstoffe, Hochspannungsquellen und piezoelektrische Motoren. Neben Sensorapplikationen besteht ein weiterer großer Anwendungsbereich von piezoresistiven Materialien in piezoresistiven Widerständen.

Piezoelektrische Materialien

Die Funktionsweise piezoelektrischer Materialien basiert auf dem Prinzip des piezoelektrischen Effekts. Beim piezoelektrischen Effekt wird durch Aufbringen eines mechanischen Drucks elektrische Ladung erzeugt. Eine der wichtigsten Eigenschaften der Piezoelektrizität ist ihre Umkehrbarkeit. Dies bedeutet, dass keine elektrische Ladung mehr auftritt, sobald die mechanische Beanspruchung nicht mehr auf das Material einwirkt. Doch dies funktioniert auch anders herum. Neben der mechanischen Beanspruchung, durch die eine elektrische Ladung auftritt, verformt sich beim Anlegen einer elektrischen Spannung die atomare Struktur des piezoelektrischen Materials, sodass eine mechanische Beanspruchung des Materials erfolgt.

Die Neuanordnung der Ionen auf atomarer Ebene innerhalb der Gitterstruktur eines Festkörpers erzeugt Piezoelektrizität. Da es sich bei den meisten Materialien um anorganische Festkörpermaterialien handelt, deren atomares Kristallgitter aus einer regelmäßigen, sich wiederholenden Anordnung aus Kationen und Anionen besteht, erzeugt eine Verformung dieses gleichmäßigen atomaren Musters elektrische Ladung. Allerdings ist die Ladung des Materials insgesamt neutral. Dies bedeutet, dass die Gitterstruktur dieselbe Anzahl an Kationen wie Anionen enthält – ohne Berücksichtigung der natürlichen Fehler, die in der Gitterstruktur von Festkörpern auftreten können.

Piezoelektrizität funktioniert bei vielen Nichtleitern, insbesondere wenn diese eine Elementarzelle – die Untereinheit des Kristallgitters – mit einer bestimmten Symmetrie besitzen. Beispiele für solche Materialien umfassen:

 

  • Natürliche und synthetische Kristalle
  • Synthetische Keramik
  • Halbleiter der Gruppen III-V und II-VI
  • Diverse andere Metalloxidverbindungen

 

Polymere sind Materialien, deren Struktur von der äußerst regelmäßigen Gitterstruktur von Festkörpern abweicht. Einige Polymere sind von Natur aus eher kristallin als amorph. Dies bedeutet, dass einige Polymere eine piezoelektrische Ladung erzeugen können. Die Intensität der elektrischen Ladung ist jedoch erheblich geringer als bei anorganischen Materialien.

Die spezielle Symmetrie bei piezoelektrischen Materialien spielt eine wesentliche Rolle für ihre Funktionsweise. Es gibt 32 unterschiedliche Kristallformen – auch als kristallografische Punktgruppen bezeichnet – die ein Kristall aufweisen kann. Piezoelektrische Materialien sind naturgemäß nicht zentrosymmetrisch. Dies bedeutet, dass ihnen ein Inversionszentrum innerhalb des Gitters fehlt. Piezoelektrische Materialien haben deshalb nur eine bestimmte Anzahl an anwendbaren Gitterarten. Angesichts der Anforderungen an die Symmetrie gibt es 20 brauchbare nicht zentrosymmetrische Gitter. Dies wiederum heißt, dass nur bestimmte Materialien einen piezoelektrischen Strom erzeugen können.

Die Gittersymmetrie des Materials ist wichtig, da die Induktion makroskopischer Polarisation innerhalb des Gitters eine elektrische Ladung erzeugt. Dies ist aber nur unter diesen speziellen Gitterbedingungen möglich. Oft reicht es jedoch nicht aus, allein einen großen piezoelektrischen Effekt zu erzeugen, und es wird ein Material benötigt, das Ionen mit einer großen effektiven Ladung besitzt, die sich unter den Gitterspannungen bewegen können. Der Mechanismus zur Erzeugung einer elektrischen Ladung beinhalten diese unterschiedlichen kristallografischen Aspekte. Wenn eine mechanische Beanspruchung auf das Material einwirkt, verändern die Ionen mit entgegengesetzter Ladung ihre normale Ausrichtung, sodass sie im Gitter näher beieinander liegen. Dadurch ändert sich das Ladungsgleichgewicht innerhalb des Gitters, sodass ein externes elektrisches Feld induziert wird. Der Effekt tritt zwar innerhalb des Gitters auf, doch die Wirkung des Ladungsungleichgewichts setzt sich durch das Material fort. Infolgedessen entsteht entweder eine positive oder negative Nettoladung an der Außenfläche des Kristalls. Dann erzeugt es eine elektrische Spannung über die Kristallfläche mit der entgegengesetzten Ladung, die man als Piezoelektrizität bezeichnet. Sobald der mechanische Druck endet, nimmt das Gitter wieder seinen ursprünglichen Zustand an und es tritt keine Spannung mehr auf.

Piezoresistive Materialien

Piezoresistive Materialien sind piezoelektrischen Materialien ähnlich, unterscheiden sich aber. Die Funktionsweise piezoresistiver Materialien basiert auf dem Prinzip des piezoresistiven Effekts. Bei diesem kommt es – genau wie beim piezoelektrischen Effekt – zu einer Änderung unter der einwirkenden mechanischen Beanspruchung. Allerdings führt die Verformung beim piezoresistiven Effekt zu einer Änderung des spezifischen elektrischen Widerstands des Materials. Der piezoresistive Effekt tritt nur in elektrisch leitfähigen Materialien auf, wie in den äußerst leitfähigen Metallen oder in Halbleitern.

Elektrisch leitfähige Materialien sind ein wesentliches Element für die Erzeugung piezoresistiver Materialien. Die piezoresistiven Eigenschaften basieren zum Teil auf der Änderung der Bandlücke eines Materials, wodurch dessen spezifischer elektrischer Widerstand/Nichtleitung verändert werden. Nichtleiter haben eine große Bandlücke zwischen dem Leitungsband und dem Valenzband ihrer elektronischen Bandstruktur. Deshalb muss eine große Energie aufgewendet werden, um die Elektronen zu mobilisieren. Im Gegensatz dazu überlappen sich bei Metallen die Valenz- und Leitungsbänder. Aus diesem Grund sind Metalle elektrisch leitfähig – die Elektronen können bei minimalen energetischen Hindernissen zum Leitungsband fließen. Bei Halbleitern gibt es bei der Bandlücke zwar keine Überschneidung, doch das Energieniveau der Valenz- und Leitungsbänder liegt sehr eng beieinander. Deshalb ist nur ein geringer Energieaufwand erforderlich – normalerweise Wärme –, um die Bewegung der Elektronen vom Valenz- zum Leitungsband zu erleichtern. Es gibt Fälle, in denen der spezifische elektrische Widerstand abnimmt, doch die Bandlücke wird dadurch nicht erheblich verkleinert. Während die Veränderung der Bandlücke in diesen Fällen ausreicht, um die Leitfähigkeit vieler Halbleiter und Metalle zu erhöhen, sind diese Effekte bei Nichtleitern vernachlässigbar.

Da der piezoresistive Effekt auf der Änderung der Auswirkungen der elektronischen Bandlücke basiert, sind Materialien mit sehr geringer oder keiner Bandlücke erforderlich. Wenn die Ionen in einem piezoresistiven Material einer mechanischen Belastung ausgesetzt werden, verändert sich der Atomabstand zwischen den Ionen und dadurch der spezifische elektrische Widerstand des Materials. Die Änderung des piezoresistiven Effekts erfolgt in beide Richtungen, sodass der spezifische elektrische Widerstand eines Materials größer oder kleiner werden kann. Ob die Änderung des piezoresistiven Effekts zu einem höheren oder niedrigeren elektrischen Widerstand führt, hängt davon ab, was in den Atomen passiert, wenn mechanische Kräfte einwirken.

Die jeweilige Veränderung des elektrischen Widerstands hängt von der Art der mechanischen Beanspruchung ab, die auf das Material einwirkt. Falls das Material gedehnt bzw. verlängert wird, werden die Abstände zwischen den Atomen größer. Da die Bandlücke vom Abstand zwischen den Ionen im Gitter abhängt, vergrößert sie sich mit wachsendem Atomabstand und verringert so den elektrischen Widerstand. Wird das Material andererseits jedoch einer mechanischen Kraft ausgesetzt, rücken die Ionen im Gitter näher zusammen. Dadurch verringert sich der elektrische Widerstand und es ist weniger Energie erforderlich, damit die Elektronen zwischen den Ionen fließen. Da sich die Veränderungen auf den Abstand zwischen den im Gitter befindlichen Ionen beziehen, kann die Geometrie des Gitters einen Einfluss darauf haben, wie sich der elektrische Widerstand unter einwirkenden mechanischen Kräften verändert.

Fazit

Die elektronischen Eigenschaften piezoelektrischer und piezoresistiver Materialien ändern sich, sobald eine mechanische Beanspruchung einwirkt. Selbst wenn der Stimulus bei beiden Arten von Material gleich ist, sind die jeweiligen Mechanismen und Veränderungen der Eigenschaften unterschiedlich. Bei piezoelektrischen Materialien bewirkt die mechanische Belastung auf das Kristallgitter, dass sich eine elektrische Ladung durch Nichtleiter bewegt, indem eine Ladungsungleichheit innerhalb des Materials entsteht. Der elektrische Widerstand eines piezoresistiven Materials wird hingegen durch die Verformung des Gitters und die Veränderung der Bandlücke bei leitfähigen Materialien bzw. bei Halbleitern bewirkt.



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Liam Critchley ist Autor, Journalist und Spezialist für Wissenschaftskommunikation mit den Schwerpunkten Chemie und Nanotechnologie. Sein Augenmerk richtet sich insbesondere auf unterschiedliche Applikationsbereiche, bei denen die Grundprinzipien der molekularen Ebene eingesetzt werden. Critchley ist am bekanntesten für seinen informativen Ansatz und die Erklärung komplexer wissenschaftlicher Themen für Fachpublikum und die breite Öffentlichkeit. Er hat über 350 Artikel zu unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen und Branchen veröffentlicht, bei denen Chemie und Nanotechnologie eine Rolle spielen.

Critchley ist derzeit Senior Science Communications Officer bei der Nanotechnology Industries Association (NIA) in Europa. In den vergangenen Jahren hat er für die Websites von Unternehmen, Verbänden und Medien auf der ganzen Welt geschrieben. Bevor er zum Schreiben kam, erwarb Critchley zwei Masterabschlüsse in Chemie mit Schwerpunkt Nanotechnologie und Verfahrenstechnik.

Neben seiner Tätigkeit als Autor ist Critchley Mitglied des Advisory Board der National Graphene Association (NGA) in den USA, dem weltweiten Nanotechnology World Network (NWN) sowie Mitglied des Board of Trustees von GlamSci, einer gemeinnützigen Wissenschaftsorganisation in Großbritannien. Critchley ist auch Mitglied der British Society for Nanomedicine (BSNM) und der International Association of Advanced Materials (IAAM). Außerdem ist er als Gutachter für mehrere akademische Fachzeitschriften tätig.


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