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Ablösung der EN 60950-1 durch die EN 62368-1 – Jetzt wird es ernst Sebastian Fischer

Seit vielen Jahren wird in den Normengremien an einem neuen gemeinsamen Standard für Sicherheitsanforderungen für Audio/Video-, Informations- und Kommunikationstechnik gearbeitet – der IEC/EN/UL 62368-1. Die erste Version der IEC 62368-1 wurde 2010 publiziert. Die aktuelle EN 62368-1 ist in ihrer 2. Ausgabe seit 2016 in Kraft. Die Ablösung der Vorgängernorm EN 60950-1 hat weitreichende Folgen für elektrische Betriebsmittel und wird die Arbeit von System-Entwicklern bei Auswahl und Einsatz von Stromversorgungen nachhaltig beeinflussen.

Will ein Hersteller oder Importeur von elektrischen Betriebsmitteln diese auf dem gemeinsamen europäischen Markt (EU, EFTA und weitere Staaten) in Verkehr bringen, ist eine CE-Kennzeichnung erforderlich, wenn das Betriebsmittel unter eine EU-Richtlinie (wie etwa die Niederspannungsrichtlinie) fällt. Mittels dieser CE-Deklaration erklärt der Hersteller die Sicherheit bzw. Konformität des elektrischen Betriebsmittels. Der Begriff "elektrische Betriebsmittel" umfasst dabei eine Vielzahl von Geräten wie Industrie-PCs, Messgeräte und sonstige im weiteren Verlauf als „Endgeräte“ bezeichnete Geräte, aber auch Komponenten, wie z.B. AC/DC-Schaltnetzteile, die wiederum Teile eines Endgeräts sein können.

In aller Regel wird zur Bewertung der Sicherheit hierzu eine harmonisierte Norm herangezogen. Die Übereinstimmung des Endgerätes mit den Sicherheitsbestimmungen der Norm wird dann durch eine akkreditierte Zertifizierungsstelle (z.B. TÜV, SIQ, UL, etc.) geprüft und durch einen Report mit Zertifikat bestätigt. Ein weit verbreiteter Standard ist hier seit vielen Jahren die EN 60950-1. Diese Norm beschreibt zwar grundsätzlich Einrichtungen der Informationstechnik, wird aber auch für die Bewertung der elektrischen Sicherheit in vielen anderen Bereichen verwendet. Daher greifen Entwickler von Endgeräten häufig auf Komponenten, wie z.B. Stromversorgungen zurück, die nach der EN 60950-1 geprüft wurden und bei denen mittels Report und Zertifikat eine Sicherheitsprüfung ausgewiesen wird.

Durch die nun anstehende Ablösung der EN 60950-1, die zum 20. Dezember 2020 in Europa Ihre Gültigkeit verliert (genauer: Die Konformitätsvermutung für die EU-Niederspannungsrichtlinie wird ihr entzogen). Die EN 60950-1 wird durch die EN 62368-1 abgelöst. Die neue Norm EN 62368-1 verfolgt einen gefahrenbasierten Ansatz zur Beurteilung, ob ein Produkt sicher ist oder nicht. Dazu werden verschiedene Gefahrenquellen, Schutzmaßnahmen und Benutzergruppen definiert. Je nach Gefahrenpotential der Energiequelle (z. B. elektrische Spannung) und Kategorie des Anwenders (z. B. normaler Benutzer) ist eine entsprechende Schutzvorrichtung vorzusehen. Bei einem AC/DC-Schaltnetzteil wäre eine verstärkte Isolierung zwischen 230 VAC-Eingangsseite und DC-Gleichspannungsseite ein Beispiel für eine solche Schutzmaßnahme (wenn der Anwenderkreis nicht auf speziell geschulte Personen eingeschränkt werden soll).

Für Stromversorgungen kommen je nach Typ und überwiegendem Einsatzbereich im Übrigen auch noch andere Normen in Frage. Hierzu zählt unter anderem die EN 61010-1, die insbesondere die relevante Norm für Stromversorgungen zur Versorgung von Steuergeräten in Industrieumgebungen (Schaltschränke) sein wird. Letztlich sind die Unterschiede zwischen der alten Norm EN 60950-1 und der neuen Norm EN 62368-1 für den tatsächlichen technischen Aufbau von Stromversorgungen eher klein und häufig ist eine Änderung des Designs nicht notwendig.

Wenn ein Hersteller oder Importeur sein Endgerät bislang nach der EN 60950-1 zertifiziert hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieser nun die neue Norm EN 62368-1 erfüllen muss, um sein Endgerät nach dem 20.12.20 in Europa in Verkehr bringen zu dürfen. Natürlich kann auch eine andere harmonisierte Norm herangezogen werden, die unter der Niederspannungsrichtlinie gelistet ist (z. B. die EN 61010-1). Komponenten wie DC/DC-Konverter und/oder AC/ DC-Schaltnetzteile für die Stromversorgung von EN 62368-1- pflichtigen Endgeräten müssen ebenfalls nach EN 62368-1 zertifiziert werden.

Prinzipiell müssen nur solche Stromversorgungen mit einem CE-Kennzeichen versehen werden, die unter die EU-Niederspannungsrichtlinie fallen. Wird eine solche Stromversorgung nun nach der EN 62368-1 zertifziert, dann wird die Sicherheit gemäß der Richtlinie vermutet und die Stromversorgung darf mit CE-Kennzeichen versehen und in Verkehr gebracht werden. Ist eine solche Stromversorgung „nur“ nach EN 60950-1 zertifiziert, entfällt diese Sicherheitsvermutung ab dem 20.12.20. Die Stromversorgung darf ab diesem Datum dann nur noch in Verkehr gebracht werden, wenn eine Zertifizierung nach EN 62368-1 (oder einer anderen gültigen Norm) vorhanden ist.

 

Abb. 1: 450-Watt-Netzteil mit CE-Zertifizierung für IT-Anwendungen (EN 62368-1) und Medizintechnik (EN 60601-1)

Für Stromversorgungen, die nicht unter die Richtlinie fallen, darf kein CE-Kennzeichen ausgestellt werden. Die Grenze, unter der Stromversorgungen nicht unter die Niederspannungsrichtlinie fallen, liegt bei 50 VAC bzw. 75 VDC. Daraus ergibt sich, dass AC/DC-Netzteile in aller Regel unter diese Richtlinie fallen und ab dem 20.12.20 auch nach EN 62368-1 zertifiziert sein müssen, damit sie in Europa weiterhin in Verkehr gebracht werden dürfen.

Viele industrielle DC/DC-Wandler haben eine Nennspannung von ≤ 75VDC und fallen daher nicht unter diese Richtlinie, und dürfen damit vom Endgerätehersteller auch ohne EN 62368-1-Zertifizierung in Verkehr gebracht werden. Ausnahmen sind möglich, beispielsweise wenn der DC/DC-Wandler in einer Umgebung zum Einsatz kommt, die erhöhte Anforderungen an die Isolation des Wandlers hat, um die Sicherheit des Benutzers zu gewährleisten (sichere Trennung durch verstärkte bzw. doppelte Isolation). Auch DC/DC-Wandler für den Bahnbereich fallen wegen der üblicherweise höheren Eingangsspannung (typischerweise bis 160 VDC) unter die Niederspannungsrichtlinie.

Abb. 2: 40-Watt DC/DC-Wandler für den Bahnbereich TRACO Power TEQ-40WIR

Seitens der Hersteller von EN 62368-1-pflichtigen Endgeräten wird häufig erwartet, dass auch nicht CE-pflichtige Stromversorgungskomponenten nach EN 62368-1 zertifiziert sind, um den Prüfaufwand des EN 62368-1-pflichtigen Endgerätes zu reduzieren.

Hersteller von Stromversorgungen sind wie andere Hersteller auch von den knappen Prüfressourcen bei den Zertifizierungsstellen betroffen. Auch wenn seit Jahren an der (Re-)Zertifizierung nach EN 62368-1 gearbeitet wird, ist es wahrscheinlich, dass bis zum Stichtag 20.12.20 nicht alle Produkte tatsächlich getestet werden können. Traco Power hat über 300 aktive Produktfamilien im Portfolio mit über 5000 Einzelprodukten. Von diesen werden über 98 % rezertifiziert (sofern die Rezertifizierung verpflichtend ist). Es gibt jedoch auch andere Hersteller, die diesen Termin zur Straffung Ihres Produktportfolios nutzen. Dabei werden meist nicht alle Produkte rezertifiziert, was für Anwender dieser Produkte wiederum ggf. zu Schwierigkeiten bei der Zertifizierung des Endgeräts führen kann.

Viele Hersteller von Endgeräten haben Ihre Endgeräte allerdings schon nach der neuen EN 62368-1 zertifiziert oder sind gerade dabei. Für diese Hersteller stellt sich Frage, inwiefern sie Stromversorgungen einsetzen können, die aktuell (also vor dem 20.12.20) „nur“ nach der EN 60950-1, aber noch nicht nach der neuen EN 62368-1 zertifiziert sind. Hier gilt der Grundsatz, dass Stromversorgungen, bei denen das Amendment 2 der EN 60950-1 mitgeprüft wurde, von den Zertifizierungsstellen zum Einsatz in EN 62368-1-pflichtigen Endgeräten akzeptiert werden. Hersteller, die aktuell ihr Endgerät nach EN 62368-1 zertifizieren, können solche Stromversorgungen also problemlos einsetzen. Ob das Amendment 2 mitgeprüft wurde, ist im Sicherheitszertifikat ersichtlich, wenn der Hersteller ein solches veröffentlicht.

Ab dem 20.12.20 müssen diese Stromversorgungen dann aber ebenfalls das EN 62368-1-Zertifikat haben. Dabei bezieht sich der Stichtag 20.12.20 auf das Inverkehrbringen (EU-Import oder Bereitstellung am Markt). Wenn der Endgerätehersteller also beispielsweise seine EN 60950-1-zertifizierten Stromversorgungen vor diesem Stichtag erhalten hat, ist der Einsatz im Endgerät auch über den 20.12.20 hinaus möglich. Somit kann der Endgerätehersteller auch nach dem 20.12.20 Endgeräte (mit EN 62368-1-Zertifizierung) verkaufen, welche mit einer EN 60950-1 + Amendment 2-Stromversorgung bestückt sind, solange diese Stromversorgung vor dem 20.12.20 in die EU importiert oder innerhalb der EU verkauft wurde. Es besteht also prinzipiell auch die Möglichkeit, sich ein „Übergangslager“ anzulegen.

Es sollte beachtet werden, dass sich außerhalb von Europa andere Situationen ergeben. In Nordamerika behält die UL 60950 beispielsweise ihre Gültigkeit, d. h. die UL 62368-1 wird nur bei Neuzertifizierungen verpflichtend. Nach UL 60950 zertifizierte Geräte dürfen auch nach dem 20.12.20 in Verkehr gebracht werden.

Es gibt auch Länder (z. B. China), in denen neue Norm gar nicht akzeptiert wird. Beim Einsatz von Komponenten (wie etwa Stromversorgungen) gelten jedoch Ausnahmen. Diese dürfen auch mit EN 62368-1-Zertifikat in Endgeräten mit EN 60950-1-Zertifikat eingesetzt werden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Stromversorgungen, die in Endgeräten zum Einsatz kommen, nach dem 20.12.20 gemäß EN 62368-1 zertifiziert sein müssen. Dies ist jedoch nur dann zwingend, wenn die Stromversorgung auch unter die EU-Niederspannungsrichtlinie fällt, was in der Regel bei AC/DC-Schaltnetzteilen der Fall ist, jedoch bei vielen DC/DC-Wandlern nicht. Endgerätehersteller können in ihren EN 62368-1-zertifizierten Endgeräten Stromversorgungen einsetzen, die bereits nach EN 60950-1, Amendment 2 getestet wurden.



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Sebastian Fischer ist seit 2015 als Geschäftsführer für Traco Power Deutschland tätig. Er hat einen Master-Abschluss in Elektrotechnik und einen MBA. Bevor er zu Traco Power kam, war Sebastian Fischer 10 Jahre lang für Hersteller im Bereich der Prozessautomatisierung (Durchflussmesser) und im Maschinenbau (Drehdurchführungen) tätig.

 

 

Andreas Flühler ist seit 2013 Head of Technical Services bei Traco Power. Er schloss sein Elektroingenieurstudium an der Hochschule für Technik Luzern 1997 ab. Seine Karriere begann Andreas bei ASCOM / Flextronics als Test-Ingenieur. Danach arbeitete er mehrere Jahre bei Siemens in der Hard- und Firmwareentwickelung. In seiner letzten Position war Andreas bei Roche Diagnostics tätig, einem führenden Hersteller in der Medizintechnik.

 


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